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Freitag, 29.03.2024

Kirchenorgel: Klangfarben jetzt lebendiger

Knapp zehn Monate lang war die Sittenser Kirchenorgel verstummt. Denn: Die „Königin der Instrumente" musste generalüberholt werden. Schmutz und mechanische Abnutzungen hatten den Klang des 1959 vom Göttinger Orgelbauer Paul Ott erbauten Instrumentes deutlich beeinträchtigt. Die notwendigen Arbeiten wurden von Ende Mai letzten Jahres bitte Mitte März von Orgelbaumeister Harm Dieder Kirschner und seinen Mitarbeitern aus Ostfriesland ausgeführt.

Die Orgel wurde bis auf das Gehäuse, das einen neuen Anstrich bekommen hat, zerlegt, die über 2000 Pfeifen, die auf pneumatischen Kastenladen stehen, wurden ausgebaut, einzeln von Hand bearbeitet, gereinigt und neu verleimt. Nun erstrahlt das imposante Instrument in neuem Glanz und vor allem in größerer Klangvielfalt.

„Bestimmte Tonarten kommen viel deutlicher zum Ausdruck, die Klangfarben sind lebendiger. Das wird den Gemeindegesang deutlich bereichern", freuen sich Kirchenorganistin Olga Chumikova und Pastor Andreas Hannemann.

Während der Renovierung war die Empore für Besucher gesperrt. Denn gewisse Vorgänge - Arbeiten an der Mechanik und an der Intonation - können nur vor Ort erledigt werden. Pfeifenbecher müssen zum Beispiel ständig angehört werden, um zu entscheiden, ob sie verkürzt oder verlängert werden sollten. Dazu war eine mobile Werkstatt im Einsatz. Alle Pfeifen wurden indes in der Werkstatt des Orgelbauers gereinigt und erhielten dort eine Frischekur.

Das Herausnehmen und Überarbeiten der schweren Windladen war laut Kirschner bei der Sittenser Orgel nicht einfach. Auch die mechanische Traktur war nicht einfach leichtgängig zu machen, ohne sie großartig zu verändern. Eine besondere Herausforderung war die Arbeit an den Zungenregistern, vor allem im Pedal – davon hat die Sittenser Orgel allein drei. Die Zungenregister sind alle sehr hell intoniert. Normalerweise wäre die Länge der tiefsten Pfeife über vier Meter, in Sittensen sind es aber nur zwei Meter, was den Klang etwas herausnimmt.

Der Subbass, das tiefe Pedalregister, wurde aufgeschnitten und die Öffnung der Pfeife vorne etwas höher gemacht, bei den Zungenregistern wurden die Kehlen aufgeschnitten, die teilweise nur drei Millimeter breit waren, was viel zu schmal ist. Der Klang der Zungenregister ist somit etwas dicker geworden, so wie es bei historischen Orgeln nachweisbar ist.

Maßgeblich wurde am Windsystem gearbeitet. Die Orgel wird nun durch ein Balg zentral mit Wind versorgt. Das bringt nach Aussage des Experten unglaublich viel beim Orgelspiel. Der Wind wird lebendiger, in Verbindung mit der neuen Intonation und Stimmung - in Sittensen ist eine ungleichstufige, barocke Stimmung gelegt worden - ist der Gesamtklang farbenreicher und individueller geworden.

„Es ist kaum vorstellbar, was hinter so einem Projekt steckt und was ein Orgelbauer alles können muss. Angefangen bei Arbeiten mit Holz, Metall, Leder und anderen Materialien; auch musikalisch muss ein Orgelbauer geschult sein, um die Pfeifen klanglich aufeinander abzustimmen", gibt Olga Chumikova zu verstehen. Sie freut sich ebenso über die neue, höhenverstellbare Orgelbank, zumal sie auch in der Nachwuchsausbildung tätig ist und Unterricht gibt.

Einziger Wermutstropfen: Die Orgel kann der Öffentlichkeit wegen der Corona-Pandemie noch nicht präsentiert werden. Geplant waren eine feierliche Einweihung im Ostergottesdienst und im Rahmen eines Konzertes. Auf den neuen Hörgenuss müssen Interessierte indes nicht verzichten. Der lässt sich nämlich online erleben. Die Kirchengemeinde hat schnell auf die Corona-Krisenzeit reagiert und neue Projekte entwickelt.

Sonntags wird aus der Kirche ein Kurzgottesdienst per Video ins heimische Wohnzimmer übertragen, abzurufen ist ebenso die „Musik zur Woche" – sowohl über die Homepage der Kirchengemeinde (www-kirche-sittensen.de) als auch über youtube. Auch Telefonandachten und kleine „Hausgottesdienste" wurden eigens eingerichtet.

Die Kosten der Orgelsanierung belaufen sich auf rund 83.000 Euro. „Die Finanzierung ist durch eigene Rücklagen, einen Zuschuss der Landeskirche, Spendenaktionen wie Orgelpatenschaften und sonstigen Zuwendungen gesichert", freut sich Pastor Hannemann.

Die Sanierungsarbeiten wurden gutachterlich begleitet von der im Kirchenkreis Bremervörde-Zeven zuständigen Orgelrevisorin Sonja Haack. Das geschulte Ohr hört den Paul-Ott-Klang der Orgel weiter heraus. Das liegt an ihrer Disposition. Es bleibt eine Nachkriegsorgel. Der Gesamtklang ist aber milder geworden, einige „Ohrenkneifer", wie es im Fachjargon heißt, sind verschwunden. So kann der Kirchenbesucher die Musik künftig viel mehr genießen. (hm)

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