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Freitag, 29.03.2024

Solarpark Tiste: Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung nach kontroversen Debatten beschlossen

Der Rat der Gemeinde Tiste hat bereits im Februar den Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Solarpark Tiste" gefasst. Inhaltlich geht es um die geplante Errichtung und den Betrieb einer Freiflächenphotovoltaikanlage. Der vorgesehene Standort liegt in der Gemeinde Tiste südlich der Bahnlinie an den Gemeindegrenzen Tiste und Kalbe.

Die frühzeitige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger als auch der Behörden und Träger öffentlicher Belange hat der Rat ebenfalls beschlossen. Für die Öffentlichkeit soll eine Informationsveranstaltung stattfinden, die mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt gemacht werden muss.

Laut Bürgermeister Stefan Behrens umfasst die Fläche des Solarparks eine Größe von 54,5 Hektar. Für die Grundstücke sind bereits Verträge mit den privaten Eigentümern sowie der Klosterkammer geschlossen worden. Eine konkrete Planung der Anlagen liegt noch nicht vor, das beauftragte Planungsbüro Instara aus Bremen hat zunächst eine grobe Entwurfsskizze vorgestellt. Die Realisierung ist in Bauabschnitten geplant. Die Module sollen auf Stelzen in Südausrichtung montiert werden.

Kontroverse Diskussionen im Bauausshuss und Samtgemeinderat

Eine kontroverse Diskussion im Zuge der Beratung über das frühzeitige Beteiligungsverfahren entstand sowohl im Bauausschuss der Samtgemeinde als auch im Samtgemeinderat. Grund: Der Antrag von Hans-Jürgen Sausmikat (WFB), die Beschlussfassung auf nach der Sommerpause zu verschieben und ein anderes Planungsbüro mit der Erarbeitung des Flächennutzungsplanes zu beauftragen.

Seine Begründung: Die verbindlichen Vorgaben und Kriterien der Landesregierung und des Landkreises Rotenburg/Wümme zur Ausweisung von PV-Freiflächenanlagen sollten abgewartet werden: „Wir sollten uns diese Zeit nehmen und nicht ins Blaue hinein planen. Unser Bauamt ist ohnehin schon ausgelastet."

Antrag auf Verschiebung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung

Sausmikat verwies darauf, dass das Änderungsgebiet nicht nur an ein EU-Vogelschutzgebiet grenzt, sondern sich der östliche Teil „augenscheinlich" auch in dem Schutzgebiet befinde. Er erinnerte an den Vortrag von Hans-Jürgen Wedemeyer vom Nabu im Bauausschuss letzten Jahres. Dieser habe eindrucksvoll über die besondere Bedeutung des Gebietes für die Vogelwelt und für dort lebende und Nahrung suchende geschützte Arten informiert.

„Nach meinem Verständnis ist das ein Gebiet, mit dem wir planerisch sensibel umgehen müssen. Wir sollten vermeiden Erwartungen zu wecken, die sich womöglich nicht realisieren lassen", befand er.

Seine weitere Kritik richtete sich an das beauftragte Planungsbüro, das nach seinem Dafürhalten umweltrelevante Belange „nonchalant" umschiffe und bagatellisiere. „Ich hätte mir auch gewünscht, dass die beauftragte, avifaunistische Untersuchung schon jetzt vorgelegen hätte und vom Landkreis fachlich bewertet worden wäre. Das hätte uns in diesem Stadium der Planung wertvolle Hinweise gegeben. Für mich erweckt es den Eindruck, dass eine Auftragsarbeit vorgelegt wird. Mit Blick auf die spätere Abwägung der Stellungnahmen macht mir das Sorgen. Deshalb halte ich es für geboten, ein anderes Planungsbüro zu beauftragen", so Sausmikat.

Kein Entscheidungsprozess zum jetzigen Zeitpunkt

Samtgemeindebürgermeister Jörn Keller wies den Vorwurf einer „interessengeleiteten" Begründung des Planungsbüros zurück und machte deutlich, dass die Samtgemeinde Auftraggeber sei. „Unsere Bauamtsleitung hat keine Bedenken, das Verfahren fortzuführen. Deren fachliche Expertise reicht aus, um das zu beurteilen." Zum jetzigen Stand des Verfahrens sei es absolut üblich, dass nicht alle Informationen vorlägen. „Es geht um keinen Entscheidungsprozess, sondern darum, das Verfahren weiter anzuschieben und Input von den Behörden zu bekommen", betonte er.

Kritik übte er zudem an der im Antrag benutzten Formulierung „augenscheinlich", was einen vermeintlichen Teil des Planbereiches im Schutzgebiet angeht. „Entweder befindet sich darin etwas oder nicht. Augenscheinlich geht nicht."

Burkhard Lichtblau, geschäftsführender Gesellschafter vom Planungsbüro Instara, führte im Bauausschuss aus, dass das avifaunistische Gutachten in enger Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Rotenburg erstellt werde. „Werden zu viele Infos bereits in die frühzeitige Beteiligung gepackt, verfestigt sich schnell der Eindruck, dass die Planung bereits steht. Wir erfüllen den Auftrag der Gemeinde und Samtgemeinde und sind der Bauverwaltung verpflichtet, die unsere Stellungnahmen beurteilen", gab er zu verstehen.

LROP: erneuerbare Energien raumverträglich ausbauen

Rechtsanwalt Dr. Mark-Oliver Otto, Geschäftsführer der NewDev Management GmbH als Vorhabenträger des Solarparks, war ebenfalls anwesend und verwies auf die Novelle des Landesraumordnungsprogrammes. Die finale Entscheidung stehe zwar noch aus, aber mit dem jüngsten Kabinettsbeschluss am 16. Mai sei der Entwurf ohne Stellungnahme freigegeben für die Beteiligung des Landtags. „Es ist nicht zu erwarten, dass sich noch etwas ändert", sagte er.

Darin heißt es unter anderem, dass die Träger der Regionalplanung im Sinne des Niedersächsischen Klimagesetzes darauf hinwirken sollen, dass unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten der Anteil erneuerbarer Energien, insbesondere der Windenergie, der Solarenergie, der Wasserkraft, der Geothermie sowie von Bioenergie und Energie aus Wasserstoff, raumverträglich ausgebaut wird.

Der Ausbau von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie (Photovoltaik) soll landesweit weiter vorangetrieben und bis 2040 eine Leistung von 65 GW installiert werden. Dabei sollen vorrangig bereits versiegelte Flächen und Flächen auf, an oder in einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand sowie sonstigen baulichen Anlagen in Anspruch genommen werden. Mindestens 50 GW der genannten Anlagenleistung sollen auf den vorgenannten Flächen installiert, die Anlagenleistung in Form von Freiflächenphotovoltaikanlagen soll in dafür geeigneten Gebieten raumverträglich umgesetzt werden. Vorbehaltsgebiete für die Landwirtschaft sollen hierfür nicht in Anspruch genommen werden.

Er plädierte dafür, den nächsten Verfahrensschritt durchzuführen. „Pausen sind nie gut für ein Projekt." Schon jetzt werde laufend Geld ausgegeben. Nach seinen Ausführungen baut der Netzbetreiber bereits das Umspannwerk in Sittensen für den Netzanschluss aus. Deutlich machte Otto, dass der Vogelschutz selbstredend Berücksichtigung finde und Lebensraum nicht vernichtet werden dürfe.

Aus dem frühzeitigen Beteiligungsverfahren entstehe eine formelle Arbeitsliste. „Die Behörden sagen, was in den Umweltbericht aufzunehmen ist. Bisher gibt es nur informelle Absprachen." „Ergeben sich im Bauleitverfahren rechtliche Einwände gegen das Vorhaben, ist es ohnehin erledigt. Wir dürfen aber auch nicht den Anschluss verpassen, was den Ausbau erneuerbarer Energien angeht. Nachbargemeinden bauen bereits bis an unsere Grenzen heran", mahnte Bauausschussvorsitzender Dirk Detjen (CDU).

Die Vertreter von WFB und Grünen machten sich wegen der "wichtigen Naturschutz- und Umweltbelange" ein ums andere Mal dafür stark, den Beschluss zu verschieben, um das Ergebnis des Vogelschutzgutachtens abzuwarten, da sie davon richtungsweisende Aussagen erwarten.

Keine Mehrheit für Verschiebung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung

Samtgemeinderatsvorsitzender Harald Schmitchen ließ schließlich über den ursprünglichen Antrag von Hans-Jürgen Sausmikat auf eine Verschiebung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung abstimmen. Mehrheitlich sprachen sich die Ratsmitglieder dagegen aus und schlossen sich damit dem Votum des Bauausschusses an.

Keine Berücksichtigung fand damit der vor der Abstimmung von Sausmikat vorgebrachte Kompromissvorschlag, zunächst nur die Träger öffentlicher Belange und die Verbände zu beteiligen und die frühzeitige Information der Öffentlichkeit erst durchzuführen, wenn das avifaunistische vorliegt. In dem Fall, so Sausmikat, hätten Grüne und WFB der Beschlussvorlage zugestimmt. (hm)

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