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Freitag, 02.06.2023

Freiflächen-PV-Anlagen: Samtgemeinderat beschließt Kriterienkatalog

Die Ausweisung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen in der Samtgemeinde Sittensen soll koordiniert und sinnvoll gesteuert vonstattengehen. In der Januar-Sitzung hatte der Bauausschuss die Verwaltung beauftragt, einen Kriterienkatalog für die Planung und Steuerung dieser Anlagen zu erarbeiten. Bauamtsleiterin Katharina Freimuth hat ein 23 Seiten umfassendes Konzept erarbeitet, das sie den Mitgliedern des Fachausschusses bei der jüngsten Sitzung vorstellte.

Ziel ist es, eine geordnete, städtebauliche Entwicklung zu ermöglichen. Auf Grundlage der aus drei Teilen bestehenden Konzeption - städtebaulicher Kriterienkatalog, politische Leitlinie zur regionalen Wertschöpfung, Checkliste für Antragsteller - sollen einheitliche, städtebauliche Kriterien für die Bewertung eingehender Anträge entwickelt werden, um deren Qualität sicherzustellen und den Arbeitsaufwand innerhalb der Samtgemeindeverwaltung effizient zu gestalten.

Inhaltlich lehnt sich das Konzept an das Merkblatt des Landkreises Rotenburg/Wümme für die planungsrechtliche Beurteilung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen in der Bauleitplanung sowie den Empfehlungen zu deren Standortsicherung, an das Rundschreiben des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes sowie an die von der SPD-Samtgemeinderatsfraktion entwickelten Leitlinie zum Umgang mit Freiflächen-Photovoltaikanlagen in der Samtgemeinde an.

„Große Teile des Konzeptes sind daher nicht neu erfunden worden", so Freimuth. Sowohl die Mitglieder des Bauausschusses als auch der Samtgemeinderat sprachen sich mehrheitlich für den Entwurf aus. Grundsätzlich wurde der Inhalt im Fachausschuss als „gelungen und gute Grundlage für entsprechende Antragstellungen" bezeichnet. WFB und Grüne votierten dagegen.

Nach dem Beschluss wird das Konzept für alle Projekte angewendet, für die von der Samtgemeinde bisher kein Aufstellungsbeschluss gefasst wurde. Für laufende Projekte, bei denen bereits das Bauleitplanverfahren durch die Samtgemeinde begonnen hat, muss die Leitlinie zur regionalen Wertschöpfung "aus Gründen der Investitionssicherheit für die investierenden Unternehmen" nicht mehr nachträglich angewandt werden, da „dadurch der Projektfortschritt entweder verzögert oder möglicherweise sogar gefährdet wird."

Der städtebauliche Kriterienkatalog muss jedoch wegen der Einheitlichkeit hinsichtlich der Abwägungsprozesse prinzipiell für alle Projekte angewendet werden.

Nach einer Änderung des Baugesetzbuches gelten Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen im Außenbereich entlang von Autobahnen oder Schienenwegen mit mindestens zwei Hauptgleisen als privilegiert. Diese Anlagen könnten demzufolge auch ohne Einbindung und Zustimmung der jeweiligen Gemeinde errichtet werden.

Ein Umstand, den Bauausschussvorsitzender Dirk Detjen monierte: „Eine Einflussnahme der Gemeinden ist damit nicht vorhanden. Das ist negativ und wird auch für Ärger sorgen, zumal ja auch unseriöse Angebote unterwegs sind." Torsten Rathje riet dazu, einen guten Kontakt mit Grundstückseigentümern zu pflegen, damit diese die Gemeinde von sich aus informieren.

Außerhalb der privilegierten Bereiche sind die Freiflächen-PV-Anlagen planungsrechtlich nur über die Bauleitplanung, sprich über einen Flächennutzungsplan und einen Bebauungsplan, zu realisieren. In dem Fall liegt die Planungshoheit bei der Kommune. Aus diesem Grund ist die Konzeption entwickelt worden.

Mit dem Kriterienkatalog soll die Standortwahl transparent und nachvollziehbar auf Flächen gelenkt werden, die eine raumverträgliche und landschaftsgerechte Realisierung von Freiflächenphotovoltaik mit möglichst geringen Nutzungskonflikten zulassen. Die Steuerung erfolgt auf Grundlage von Gunst-, Restriktions- und Ausschlussfaktoren, wobei bevorzugte Flächen aufgrund von Kriterien, die als „besonders gewichtig" bezeichnet werden, in besonderem Maß bei der Standortbewertung berücksichtigt werden.

Die Samtgemeinde Sittensen möchte die grüne Wasserstoffproduktion fördern. Im Rahmen des geplanten Wasserstoffinfrastrukturprojektes „HyperLink" sollen abschnittsweise ab 2025 bis etwa 2030 reine Wasserstofftransportleitungen in Betrieb genommen werden. Ein Abschnitt wird durch die Samtgemeinde Sittensen führen. Flächen entlang dieser Trasse sollen für solche Anlagen zu Verfügung stehen, die grünen Wasserstoff produzieren möchten.

Jürgen Sausmikat (WFB) sieht das Konzept zwar als „gut gemacht" an, brachte aber dennoch Einwände vor. PV-Anlagen müssten zunächst bevorzugt auf Dach- und Parkplatzflächen entstehen und nicht auf Freiflächen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass gleichartige Projekte unterschiedlich behandelt würden. "Daher sollte das Konzept für alle Projekte anzuwenden sein, für die es noch keine Plan- oder Baurechte gibt und somit auch auf den Solarpark Tiste", so Sausmikat.

Die Wasserstoffnutzung steckt nach seinen Worten noch in den Kinderschuhen. Dem widersprach Samtgemeindebürgermeister Jörn Keller: „Von Wasserstoff spricht die ganze Welt. Diese Technologie brauchen wir als Energiespeicher, um Unternehmen am Laufen zu halten. Für die gesamte Industrie wird Wasserstoff in den nächsten Jahren eine herausragende Bedeutung zukommen."

Bei der Samtgemeinderatssitzung erhob auch Bernd Petersen (WFB) Einwände. Mehr noch: Er bescheinigte dem Konzept fachliche Mängel, weil nicht ausreichend die Grundlagen der Stellungnahmen des Landkreises  und der SPD eingeflossen seien. Außerdem bemängelte er das Fehlen einer Potenzialflächenanalyse und erachtet das Konzept als Bevorzugung für den geplanten Solarpark in Tiste.

"Wir sehen unsere Leitlinie als ausreichend gewürdigt an. Es ist viel Zeit für Transparenz und Austausch aufgebracht worden", entgegnete Tillmann Hauenstein (SPD). Petersens Antrag auf Änderung des Konzeptes wurde mehrheitlich abgelehnt.

Dirk Detjen verwies im Hinblick auf eine Potenzialflächenanalyse auf nicht vorhandene, zeitliche Ressourcen. "Wir müssen eine schnelle Lösung für die notwendige Energiewende forcieren." Das Planvorhaben in Tiste sei bereits weit fortgeschritten und liege in einigen Teilen damit außerhalb des Konzeptes. Was eine Wertschöpfung für die Gemeinde Tiste angeht, soll nochmals mit dem Projektierer geklärt werden.

Die Fraktion der Grünen stimmte ebenfalls gegen das Konzept, weil sie für eine objektive Abwägung nicht alle Informationen bekommen habe. "Insofern können wir unser Mandat nicht richtig ausüben. Wir sind für erneuerbare Energien und haben grundsätzlich nichts gegen Freiflächen-PV-Anlagen, obwohl zunächst Dachflächen bevorzugt werden sollten", erklärte Daniel Mansholt. Er kritisierte, dass das Konzept nur für Neuprojekte Anwendung finde, also für Projekte, für die noch kein Aufstellungsbeschluss gefasst worden sei. Das widerspreche der Wertung des Baugesetzbuches, nach der es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses ankomme. Auch er sieht nur Vorteile für den Tister Solarpark.

Der Samtgemeinderat möchte Bürgern und Gemeinden eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg solcher Projekte ermöglichen. Insofern ist für Freiflächen-Photovoltaikanlagen, die einen Flächenbedarf von über zehn Hektar haben, schon bei der Antragstellung ein Konzept zur regionalen Wertschöpfung vorzulegen.

Welche Beteiligungsmodelle am besten zu den Bürgern in einer Ortschaft passen und welche Anforderungen in der Praxis umsetzbar sind, ohne den Projektausbau zu verhindern, wird einzelfallbezogen betrachtet.

Großflächige Freiflächen-Photovoltaikanlagen müssen einen Mindestabstand von 250 Metern zur nächsten, tatsächlich genutzten Wohnbebauung einhalten. Und: Vom Antragsteller ist eine Rückbauverpflichtung zu übernehmen. Die Wahrung kommunaler Interessen regelt ein städtebaulicher Vertrag. (hm)

Das vollständige Konzept ist auf der Homepage der Samtgemeinde unter www.sittensen.de einsehbar.

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