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Donnerstag, 28.03.2024

Bürgerinitiative Zukunft Börde Sittensen: Architekt Ekkehard Tamm referiert – Leerstand an der Grenze des Bedenklichen

Ekkehard Tamm, Architekt und Stadtplaner aus Visselhövede, möchte dazu beitragen, „Sittensen aus dem sinnbildlichen Dornröschenschlaf zu erwecken und die Ortsmitte zu vitalisieren." Bei der zweiten, wiederum gut besuchten Info- und Diskussionsveranstaltung der Bürgerinitiative Zukunft Börde Sittensen zeigte er die Stärken und Schwächen des Ortes auf. Und machte deutlich, dass es nach seinem Dafürhalten bereits „fünf vor zwölf" ist, vor allem hinsichtlich des hohen Anteils an Leerständen. „Da ist die Grenze des Bedenklichen erreicht, Handlungsbedarf dringend geboten", gab er zu verstehen. Sein Appell: gemeinsames, persönliches Engagement aller Beteiligten – Gewerbetreibende, Bürger, Politik, Verwaltung.

Bei einem dreistündigen Spaziergang durch den Ort hat sich Tamm einen Überblick verschafft. Und musste „mit Erschrecken" zwölf Leerstände zählen. Seinen Worten zufolge ist Sittensen ein Durchfahrtsort zur Autobahn. Zwischen Kreisel und Bahnlinie, einschließlich Edeka, boomt nach seiner Erkenntnis das Leben, wobei es aber nicht gelingt, die Kunden von dort in den Ort zu ziehen. Den Bereich um das ehemalige Kaufhaus Kruse bezeichnete er als Bild des Jammers und „dringend modernisierungsbedürftig." Einzig das Modehaus Holst stellt nach seiner Auffassung einen „Leuchtturm" dar. Der Ort könne froh sein, ein solches Geschäft mit solcher Ausstrahlung zu haben. „Über das Drumherum dort müssen Sie sich jedoch Gedanken machen", bedeutete der Experte, der bereits erfolgreich Stadtentwicklungskonzepte umgesetzt hat, unter anderem in seinem Heimatort Visselhövede.

Dort konnte der Leerstand nahezu aufgehoben werden. „Weil wir gemeinsam aktiv geworden sind", betonte Tamm. Dass Sittensen als Grundzentrum an einer Stelle über Aldi, Lidl und Rossmann verfügt, die dazu noch von einem Parkplatz bedienbar sind, sei atypisch. Die Frequenzbringer befänden sich auf der grünen Wiese an der Stader Straße, wo mit Supermärkten und Discountern für einen Ort dieser Größenordnung nahezu ein Überangebot bestehe. Die Kunden gelangten jedoch nicht in den Ort. Besonders frequenzarm sei die so genannte Altstadt zwischen Marktplatz und Bahnlinie. Außerdem hat Tamm eine Stagnation bei Gewerbeansiedlungen ausgemacht.

Wichtig sei es, die Spirale der Ladenschließungen zum Halten zu bringen. Doch was fehlt in Sittensen? Ein Einzelhandelskonzept hält Tamm nicht für notwendig. „Visselhövede hat auch keines und trotzdem eine vorbildliche Einzelhandelsstruktur." Überhaupt: Er vertritt die Meinung, dass Konzepte und Bebauungspläne keinen Leerstand füllen. „Wenn man nicht weiß, was drum herum geschehen soll, hilft auch kein B-Plan." Gebraucht werde ein professioneller Gewerbemakler. „Und den gibt es hier nicht", gab der 69-Jährige zu verstehen.

In Visselhövede habe sich 2012 eine Initiative gebildet, die leer stehende Immobilien aufgenommen und fehlende Angebote ermittelt habe. Die Frage laute: „Was hat einen realistischen Hintergrund?" Das gelte auch für Sittensen. „Was wollen Sie? Reden Sie miteinander. Sprechen Sie gezielt Leute an. Eigeninitiative ist gefordert. Ein Bürgermeister kann das nicht allein wuppen", machte er deutlich." Für Fachärzte – Augen- oder Kinderheilkunde - sei für ein Grundzentrum wie Sittensen von der Kassenärztlichen Vereinigung keine Zulassung zu bekommen. Möglich seien ein Frauenarzt und Psychotherapeut.

Tamm regte eine Musikkneipe für junge Leute, einen Treffpunkt der Kulturen und vor allem ein Seminarhotel an, das auch von Busgesellschaften angefahren werden könne. Damit werde auch der Tourismus angekurbelt. Auch in Visselhövede sei in einem ehemaligen Fabrikgebäude erfolgreich ein solches eingerichtet worden. Sofort wurde in den Besucherreihen der Ruf nach dem über Jahre leer stehenden Niedersachsenhof laut. Da Verhandlungen mit den Besitzern bisher erfolglos verlaufen sind, bot Tamm sich diesbezüglich an: „Das Wort Problem kenne ich nicht, es gibt nur Aufgaben, die es zu lösen gilt", erklärte er.

Augenmerk sei auch auf barrierefreies Wohnen zu legen. Aber: „Junge Menschen müssen sich ebenfalls einbringen. Nutzen Sie die sozialen Netzwerke" empfahl Tamm. Wichtig sei es, Fördermittel zu beantragen, um notwendige Modernisierungsmaßnahmen an Häusern und Fassaden durchzuführen, aber auch charakteristische Gebäude zu erhalten. „Schaffen Sie eine Unverwechselbarkeit des Ortes. Sprechen Sie die Eigentümer an. Am besten fahren Sie zu persönlich Ihnen hin", so sein Appell. Dass es eine sehr lange Zeit braucht, bis aus Sittensen ein „vitaler und lebendiger Ort" wird, verhehlte er nicht.

„Sie werden nicht jeden Leerstand füllen können. Dann müssen Sie über eine Umnutzung nachdenken." Ein Ort habe entweder eine starke Mitte oder es gelte das Knochenprinzip. In Sittensen gäbe es eine starke Seite an der Stader Straße, Richtung Marktplatz versinke man im Nirwana. „Da müsste auch ein Knaller angesiedelt werden, dann entsteht mehr Bewegung", verdeutlichte er.

Das Planungsbüro Sweco wurde von der Gemeinde Sittensen beauftragt, das Bebauungsplanverfahren für die Bereiche Bahnhofstraße und Marktplatz durchzuführen. Der ebenfalls anwesende Planer versicherte, dass dies nicht im stillen Kämmerlein geschehen werde. Im Januar sei eine öffentliche Informationsveranstaltung geplant. Auch sollen vorbereitende Arbeitsgruppen gebildet werden, um „die Ansprüche zu ermitteln, die zu einer Revitalisierung des Ortes führen." Entsprechende Listen, in die sich Interessierte eintragen konnten, lagen aus. „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit", gab Ekkehard Tamm den Gästen abschließend mahnend mit auf den Weg. (hm)

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